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Musischer Bereich und Sport - Niklas Brandtner

Niklas Brandtner

Es gibt Sportarten, bei denen man sich als Beobachter fragt: „Seriously?“ „Im Ernst, jetzt?“ „Wer
macht sowas freiwillig?“ Eine dieser Sportarten ist Skeleton und einer dieser Freiwilligen ist euer Mitschüler Niklas Brandtner aus der 9. Klasse. Skeleton ist ein Sport, bei dem man auf einem kleinen Schlitten mit Kufen einen Eiskanal hinabfährt. Wer schon einmal an einer Bahn z.B. in Oberhof, Altenberg oder am Königssee stand bzw. im Fernsehen Bob- oder andere Schlittenrennen verfolgt hat, der weiß, wie rasant eine solche Fahrt abläuft. Es rumpelt mitunter heftig, wenn man in den Kurven aneckt, die Fliehkräfte zerren einen von rechts nach links die Kurven hinauf und nicht umsonst vergleichen die Fahrt viele Pilotinnen und Pilotinnen mit einem heftigen Schleudergang in der Waschmaschine. Das beeindruckendste sind aber die dabei erreichten Geschwindigkeiten von bis zu 140 (!) km/h. Aber weil das Tempo einigen (wie Niklas) allein noch nicht ausreicht um den Nervenkitzel perfekt zu machen, tun sie das ganze in Bauchlage mit dem Kopf voran. Im Ernst. Niklas‘ Kopf liegt nur wenige Zentimeter über dem Eis, wenn er die Bahn hinabrast. Die Sichtweite im Kanal beträgt im Idealfall etwa vier bis fünf Meter. Ermüdet jedoch seine Nackenmuskulatur und kann den Kopf nicht mehr oben halten, sieht Niklas nur noch das Eis unter sich vorbeiziehen - auch schön. Ist das denn nicht gefährlich? Klar, aber Skeletoni sind ja ausreichend geschützt: sie tragen immerhin einen hauchdünnen Sportanzug, Handschuhe, einen Helm und Mundschutz - und hoffentlich beijeder Fahrt mehrere Schutzengel auf ihren Schultern, wissend das im Fall eines Crashs weder Anzug, noch Helm, und schon gar kein Mundschutz vor der Intensivstation und der Nahrungsaufnahme durch die Schnabeltasse schützen können.

Wie kommt man also dazu, freiwillig so einen Sport auszuüben? In Niklas‘ Fall war es ein
“verhängnisvoller“ Sommerurlaub in Graz im Jahr 2022. Mit Opa und Schwester besucht Niklas
ein Sportevent zur Präsentation von Wintersportarten und schiebt, just for fun, einen Bob an, der
auf einer Schienenbahn montiert ist. Zwei österreichische Scouts sehen Niklas beim Anschieben
des Bobs, sprechen ihn auf sein offensichtlich gezeigtes Talent an und vermitteln einen Kontakt
zur Olympionikin und Skeletonfahrerin Anja Selbach in Deutschland. Kurze Zeit später klingelt
Niklas‘ Telefon. Er wird zur Sichtung nach Berchtesgaden eingeladen, lernt dort Anja Selbach
kennen, probiert Bob- und Skeleton aus und entscheidet sich prompt dafür ins Skeletontraining
einzusteigen. „Mir war Bobfahren mit zu viel Technik verbunden. Das Anschieben, das Einspringen in den Bob, die Fahrt an sich - das ist alles sehr komplex. Skeleton hat mir dagegen mehr zugesagt, auch wenn ich bei den ersten Fahrten ordentlich Angst hatte.“, erinnert sich
Niklas, der zuvor noch NIE von Skeleton auch nur gehört hatte. Wer Niklas kennt, den wundert
dieses Match nicht. Auch vor seiner Zeit im Eiskanal war Niklas in den Sporthallen und
Fußballplätzen gefühlt schon auf dem Skeleton unterwegs. Immer ein wenig zu schnell, stets mit
hoher Risikobereitschaft und ohne Rücksicht auf Verluste (auch eigene) lehrte er seinen
Gegenspielern das Fürchten und trieb den Sportlehrern und Trainern die ein oder andere
Schweißperle auf die Stirn. Diese Dynamik gepaart mit einer gehörigen Portion Mut haben wohl
dazu geführt, dass sich Niklas und der Skeletonsport irgendwann finden mussten.

So richtig in Schwung kommt Niklas‘ Skeletonlaufbahn in der anschließenden Wintersaison
2022/23, als er ins Training im Eiskanal einsteigt und sich der SpVgg Unterhaching anschließt.
Unterhaching? Ja! Wer sich das Vereinswappen genau ansieht, erkennt, dass Fußball nur eine
Abteilung des Vereins ist. Die andere ist die Bob-Abteilung, die derzeit rund 50 Mitglieder hat. Das Vereinstraining umfasst viele sog. Lehrgänge, die auf Bahnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz stattfinden. Niklas verpasst nun häufiger die Schule, da die Trainings- und Schulzeiten nicht miteinander vereinbar sind. „Die Bahnzeiten für den Nachwuchs sind rar und so muss man trainieren, wenn die Bahnen frei sind. Am Wochenende sind dort oft Wettkämpfe und so findet viel unter der Woche statt.“, erklärt Niklas. Doch das Training scheint sich bereits im ersten Winter auszuzahlen: in Winterberg belegt Niklas bei einem Rennen den 2. Platz und das trotz der erst sechsmonatigen Erfahrung - Wahnsinn. Nach Ende der Wintersaison beginnt mit dem Athletiktraining schon die Vorbereitung auf den nächsten Winter. Niklas trainiert daher derzeit an zwei bis drei Tagen mit eigenem Athletiktrainer in der Werner-von-Linde-Halle im Olympiapark. Auf seine Ziele im Skeleton angesprochen, antwortet Niklas ohne auch nur eine Millisekunde zu zögern und mit einer Prise Unverständnis für die Frage: „Olympia. Natürlich.“ Vorbilder, die ihm diesen Weg aufzeigen können, hat er jedenfalls bereits. Neben Felix Keisinger, den Niklas schon kennengelernt hat, bezeichnet er Christopher Grotheer als sein großes Vorbild. Der Thüringer gewann 2022 in Peking als erster Deutscher die Goldmedaille im Skeleton. Sollte Niklas‘ Karriere ähnlich rasant verlaufen wie ihr Beginn, ist ihm dies durchaus zuzutrauen. Wir drücken die Daumen, Niklas, und hoffen, dass stets ein paar Schutzengel mit dir in der Bahn sind! Gute Fahrt!