Forscherwoche 2012
Max-Born-Schüler bei Forscherwoche in Thüringen
„175 Schläge in der Minute? Ich schaff mehr!“, meinte einer von 32 Schülern aus dem ganzen Bundesgebiet, die auf Einladung des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Zeulenroda an der diesjährigen Forscherwoche in Thüringen teilnahmen.
Wie viele Ballwechsel pro Minute beim Tischtennisspiel physikalisch überhaupt möglich sind, erläutere Dr. Stefan Krischok von der Technischen Universität Ilmenau. Vor allem begrenzt die Höhe des Netzes diese Anzahl, aber auch Faktoren wie die Größe des Balls, die Zähigkeit der Luft und ihre Verwirbelung haben Einfluss. Eine Steigerung ist vor Allem durch Anschneiden des Balles möglich, Spitzenspieler bringen es hierbei auf 50 Ball-Umdrehungen pro Sekunde – so viel wie eine Bohrmaschine. Dass der Weltrekord mit 172 Schlägen nur 3 Schläge unter dem theoretisch möglichen liegt, überzeugte Josef Brunner (10. Klasse), einen der sechs Teilnehmer vom Max-Born-Gymnasium, vom Potential der anspruchsvollen mathematisch-physikalischen Berechnungen.
Die Forscherwoche ist ein Angebot für leistungsfähige Schüler mit großem naturwissenschaftlichem Interesse. Sie hören Vorlesungen auf universitärem Niveau, experimentieren in Labors und besuchen Technologiefirmen.
Die Jungforscher berichteten an der Uni auch von ihren eigenen Erfahrungen. So stellte Josef Ideen vor, wie man Körperimplantate am effektivsten und sichersten mit Strom versorgen kann. Christoph Kaindl (16) berichtete von Methoden, mit denen Archäologen Altertümer tief im Boden aufspüren.
Statt einen Prototypen für sehr viel Geld (teilweise mehrere Millionen Euro) zu bauen können Firmen ein wesentlich billigeres virtuelles Modell am Computer erstellen, mit dem sie dann Simulationen durchführen. Die Schüler durften, ausgestattet mit spiegelnden 3-D-Brillen, virtuelle Bahnhöfe durchstreifen und BMW-Modelle mit verschiedenen Oberflächen umrunden und besteigen. „Stets begleitet einen ein genauso räumlich wirkender Sound aus über 200 Lautsprechern“, begeisterte sich Christoph.
Im Antennenlabor der TU lernte Stefan Horbach (12. Klasse), wie leicht sich ein GPS-Navigationsgerät austricksen lässt: Eine Simulation von sechs Satelliten abgestrahlt über eine wenige Zentimeter große Antenne täuschte den Navigationsgeräten im Raum den Standort London vor. Gesendet wurde dieses Signal mit winziger Leistung, damit es nicht die Autofahrer in der kleinen Stadt verwirrte.
Stefans selbst angefertigte WLAN-Antenne aus einer Konservenbüchse und etwas Draht erwies sich als hervorragender Richtstrahler: Ihr Empfang war 25-fach so stark wie der eines gewöhnlichen Dipols – zum Ausgleich war sie nach „hinten“ blind für jeden Empfang.
Die Nanomessmaschine der TU beeindruckt Adrian Krell (18) durch den Aufwand, der betrieben wird, um auf Bruchteile einer Lichtwellenlänge genau zu messen. Erschütterungen werden durch ein metertiefes eigenes Fundament reduziert, die Apparatur wird auf immer der gleichen Temperatur gehalten, um diese einzigartige Präzision zu erreichen. Besonders oft fiel hier das Wort „teuer“. Bei der Besichtigung eines Betriebs, der Messautomaten baut, wurde der Sinn dieses Aufwandes begreiflich. Im Praktikum zur Messtechnik erlebte Adrian, welche Konzentration erforderlich ist, wenn man „von Hand“ exakt messen will.
In der Übungsstunde „Mathematik trifft Mechanik“ erfuhren die Schüler, wofür sie Matheformeln lernen. „Will man die Tragfähigkeit einer Brücke mit Vektoren berechnen, wird das zwar anspruchsvoller als simple Dreiecksberechnungen, aber endlich erkennt man auch den Praxisbezug“, so Adrian. An verschiedenen naturwissenschaftlichen Beispielen konnten die Jungforscher dem Dozent mit „Motorjesus“- T-Shirt ihre Mathekenntnisse zeigen.
Dass unsere Computerchips aus Sand entstehen, erfuhr Franziska Bauer (16) durch einen Vortrag von Dr. Gernot Ecke. Die Chips bestehen zum Großteil aus Silizium-Einkristallen. Diese sogenannten Silizium-Wafer werden in bis zu 200 Schritten mit ganz verschiedenen Techniken beschichtet. Ein Beispiel ist, dass man unter großer Hitze den Wafern Sauerstoff zusetzt. Dadurch wird die oberste Schicht zu SiO2, also wieder zu „Sand“, einem guten Isolator. Franzi betrachtete durch verschiedene Mikroskope die im Mikrometerbereich liegenden Strukturen und durfte im Labor ein paar Schichten auf die Einkristalle auftragen.
Ein eigenes Haus … will doch jeder mal haben. Ravenel Maurer (10. Klasse) konstruierte mit einer Gruppe von Schülern aus dem Saarland, Hildesheim und Osnabrück ein CAD-Modell seines Traumhauses und ließ es dann von einem 3D-Drucker herstellen. „Es ist nur fünf Zentimeter groß, aber irgendwann wird man die Einzelteile für ein richtiges Haus drucken lassen können.“
Im Spin-Off-Unternehmen ISLE GmbH erfuhren die zukünftigen Studenten wie Ravenel nicht nur die Vielfalt der Anwendungen von Leistungselektronik, Unternehmensleiter Tobias Reimann, Professor an der TU Ilmenau, warnte sie auch vor Studiengängen mit wohlklingendem Namen („Mechatronik“), die von mehreren Studiengängen ein reduziertes Niveau vermittelten, und jetzt in Massen von den Unis kreiert würden. Von Unternehmen seien sie wenig nachgefragt, da diese lieber mit einem Team mit einem Maschinenbauer und einem Elektrotechniker arbeiteten, die ihre jeweiligen Gebiete sehr gut beherrschten. „Die klangvollen Namen dienen nur dazu, den „Sex-Appeal“ der guten alten Elektrotechnik aufzumotzen“, so Reimann.
Professor Beneke von der FH Schmalkalden verfolgt das Projekt, Getreidespreu und -halme als erneuerbare Energien nutzbar zu machen. Sie lassen sich einfach zu Pellets pressen, wie er in einem Vortrag für die Jungforscher erläuterte. Doch gibt es eine Fülle von Prozessschritten zu optimieren: Der Transport der windflüchtigen Spreu ist wesentlich einfacher in einer Mischung aus Halmen und ausgedroschenen Körnern – die heutigen Mähdrescher trennen sie noch. Das soll anders gelöst werden. Auch Lagerung und Vertrieb des neuen Produkts müssen bedacht werden.
Am letzten Abend vergnügten sich die Schüler aus allen Gebieten Deutschlands gemeinsam in der Eislaufhalle. „Über die anspruchsvollen Vorlesungen und Praktika sind hervorragende Köpfe aus sechs Schulen zu einer großen Gemeinschaft zusammengewachsen“, meinte Eckart Werner-Forster, der die MBGler begleitete.
(Josef Brunner, Franziska Bauer, Adrian Krell, Christof Kaindl, Stefan Horbach, Ravenel Maurer, Eckart Werner-Forster)